Marokko Dodra

Wir fahren zur See

Wir auf See

Wir fahren zur See

Ja, richtig gelesen – wir fahren zur See. Fertig Schluss mit Auto. All dem Strassenverkehr und dem Strassenlärm den Staus und Blinker setzen beim Abbiegen entfliehen. Wir satteln um – korrekt wäre an dieser Stelle zu sagen wir segeln um. Nö, wir machen nur einen Segelkurs damit wir dann mal selber, also ohne Skipper, segeln dürfen.

Go Baja Sailing – mit denen zur See

Go Baja Sailing ist jetzt nicht nur ein Ausdruck sondern auch der Name der Segelschule. Wir haben hier einen Ausbildungstörn gebucht und wir werden mit absoluter Sicherheit die einzigen Schweizer sein. Der Rest sind Amerikaner. Das wird lustig und interessant werden. Eine Woche mit ein paar Amerikanern auf einem 43 Fuss Katamaran zu sein. Wir werden ein paar sozial-kulturelle Eigenschaften kennenlernen.

Ein bunter Haufen Segelbegeisterter

Insgesamt sind wir 8 Segler, davon einer der Skipper. Es ist ein bunter Haufen. ein amerikanisches Ehepaar Kelly und Mike aus Lake Havasu City. Kennen wir. Da haben wir die heisseste Zeit unseres Lebens verbracht. Dann sind da noch das zweite Ehepaar, Kathy und Scott aus Kanada. Sie kommen aus Kelwona, British Columbia. Kennen wir auch. Waren wir 2015 und ich 2001- wunderschöne Gegend. Dann ist da noch die Single-Amerikanerin deren Namen wir leider vergessen haben.
Bevor wir Segel setzen gibt es vorab noch ein Sicherheitsbriefing und eine Einführung wie Teile des Schiffes benannt werden. Besonders wichtig ist die Bedienung der Toilette. Wir wissen, dass die Bedienung von Schiffstoiletten ein paar Sonderbedingungen unterlegen ist. Oberste Regel – KEIN Toilettenpapier in die Toilette werfen. Denn die Rohre sind auf jedem Schiff immer zu klein dimensioniert. Das seit Jahrzehnten. Lernen die Schiffsbauer nur sehr sehr langsam oder was ist der Grund, dass nicht dickere Rohre verbaut werden? Denn ist die Toilette einmal verstopft, ist das auseinandernehmen der Leitungen wahrlich ein Scheiss-Job. Und bei einem Ausbildungstörn fährt man in der Regel erst am zweiten Tag raus aus dem Hafen. Doch Chris unser Skipper merkt schnell, dass wir alle ein Vorwissen haben und ein klein wenig Segelerfahrung. Und so kommt es, dass wir also bereits kurz nach Mittag die Motoren anwerfen, die Leinen lösen und rausfahren. Jipieeee…

Segel setzen – wir sind die Piraten der Sea of Cortez

Ja ich weiss – der Titel ist ein klein wenig euphorisch. Und doch – wir segeln. Es geht hektisch zu und her denn Chris drillt uns sodass wir wirklich das jiben intus haben. Für all jene Leser die das Segeln nur in deutscher Sprache gelernt haben – jibe ist der englische Begriff für das Wenden. Die beiden ersten Tage machen wir also nichts anderes. Jeder kommt mal ans Steuer und führt das Kommando mehrmals aus. Und der Rest der Crew muss sputen. Voll geil Kapitän zu sein und alle machen was ich will – Tschuldigung, was der Kapitän will. 😉
Die Tage fliegen nur so dahin denn am Tag werden wir praktisch geschult und am Abend folgt die Theorie bzw. die Prüfungen. Am Ende der Ausbildung hat jeder den Segelschein und wir können nun ein Schiff chartern bis 45 Fuss Länge.

Zurück nach Agua Verde

Mitunter unser Favorit von Lieblingsplätzen auf der Baja. Die Anfahrt hat es in sich jedoch lohnt sie sich. Von der geteerten Strasse weg dauert es 2,5 Stunden bis man in Agua Verde ist. Wir sind grade mal wenige Tage hier erreicht uns ein Anruf denn wir haben im Internet nach Segelmöglichkeiten gefragt. Und hier kommt die Kontaktaufnahme. Tad, ein amerikanischer Segler mit über 30 Jahren Erfahrung, bietet uns an, von Ensenada im Norden der Baja nach La Paz im Süden der Baja mitzusegeln. Mit Videochat zeigt er uns seine über 30-jährige Slocum 43. Ein stattliches solides Schiff. Wir freuen uns und sagen zu. Wir fliegen also nach Ensenada und segeln runter nach La Paz. Hammer.

Vor dem Segeln noch ein Unfall

Einen Tag bevor wir von Agua Verde losfahren um segeln zu gehen, will Claudia noch kurz bei René, dem Kanadier neben uns, den Schmerz aus Schulter und Rücken nehmen lassen. René ist Chiropraktiker und ein lustiger Nachbar. Und da geschieht es. René rutscht beim Richten der Wirbelsäule aus und quetscht Claudia Rippen. Wer das schon mal gehabt hat weiss wie schmerzhaft dies ist. Mist – wir wollten ja eigentlich losfahren. Wir besprechen uns und Claudia sagt, ich solle alleine segeln gehen. Sie wartet im Campground Maranatha bis ich zurück bin. Ok, aber wie fahren wir von hier weg? Zweieinhalb Stunden Rüttelpiste mit gequetschter Rippe. Es war eine Tortur und wir haben beinahe dreieinhalb Stunden gebraucht weil ich sehr viel langsamer gefahren bin – wegen der Quetschung. Und dennoch – Claudia hat sich tapfer geschlagen und ist froh, als wir im Maranatha ankommen. Jetzt kann sie sich erholen und ausruhen bis ich wieder zurück bin.

Segeln mit Joshua

Ich fliege also von La Paz nach Tijuana und mit dem Bus nach Ensenada runter. Da gelange ich mit einem Uber zum Hafen und treffe nun Tad persönlich. Tad zeigt mir meine Koje und ich richte mich ein. Danach gehen wir gleich Abendessen. Wir unterhalten uns und wir sind auf gleicher Wellenlänge. Das ist gut und schafft vertrauen. Die nächsten 4 Tage sind wir noch damit beschäftigt, das Schiff auf Vordermann zu bringen. Wir müssen den üblen Geruch aus der Toilette kriegen. Der Geruch stammt von Barnacles – kleine Muscheln die sich in die Abwasserrohre der Toiletten festmachen. Hier gibt es für die Stinker immer genug Nahrung. Und das stinkt gewaltig. Worte dazu zu finden ist nicht möglich. Nebenher reparieren wir noch diverse andere kleine Dinge.
Und dann geht es los. Noch zu erwähnen ist, dass es Anfang Dezember 2022 und Ensenada im Norden der Baja ist. Und hier ist es kalt. Enorm kalt. Kurz vor dem Gefrieren von Wasser – das würde spassig sein beim Pinkeln – Pling, Pling, Pling… Eiswürfel. In diesen vier Tagen der Reparaturen lerne ich noch Jacob kennen. Er ist auf dem Buddyboat und segelt auf seiner Beneteau als Single Hand Segler mit uns nach La Paz. Wir lachen viel zusammen und helfen einander bei den Reparaturen. Und dann kommt der Tag. Wir legen ab.

Segeln und Kotzen

Claudia und ich haben ja schon ein paar Segelerfahrungen gesammelt im Mittelmeer und vor Kuba. Wir haben auch Sturmerfahrung – 40 Stunden bei Beaufort 9 von 12. Da haben wir die Fische gefüttert. War keine tolle Erfahrung denn Seekrankheit ist ätzend, richtig ätzend. Wir sind nun bereits seit einem Tag unterwegs und haben starke Winde von Norden – also Downwind segeln. Und da kriegt es mich – das ätzende Gefühl. Ich muss die Fische füttern und kotze mich mal aus. Gefühlte 30 Sekunden später ist alles vorbei. Null seekrank, Quietsch-Fidel. Jetzt kann es richtig losgehen. Und das tat es auch. Wir hatten Winde von rund 25 Knoten. Also richtig starke Winde. Aber wir hatten auch Flaute. Beides ist anstrengend. Aber für Abwechslung ist gesorgt.
Wir tuckern oder segeln – da mag ich mich nicht mehr recht erinnern – im Pazifik rum und plötzlich rieche ich was. Ein Geruch der nicht nach leckerem Essen riecht sondern nach Verbranntem. Ich schiesse auf, renn unter Deck und ruf gleichzeitig Tad zu, dass es nach Verbranntem riecht. Tad ist erschrocken. Ich gehe mit der Nase dem Geruch nach. Orte die Quelle unter dem Navigationstisch. Ich sage zu Tad, dass ich die Quelle des Geruchs unter dem Navi-Tisch rieche. Wir öffnen die Türe und der Geruch nimmt schlagartig zu. Wir stellen sofort alles Elektronische ab. Mit Taschenlampe bewaffnet kriechen wir beide unter dem Navi-Tisch umher. Die Quelle ist schnell ausgemacht. Der Inverter hat sich verabschiedet, verkohlt. Wir konnten durch schnelles handeln also schlimmeres verhindern.

Mitten auf dem Pazifik

So mitten auf dem Pazifik zu segeln ist schon einmalig. Man weiss mit Blick Richtung Westen, dass irgendwann, nach tausenden von Seemeilen Festland kommt. Japan, Russland, Korea – was auch immer auf diesem Breitengrad da drüben sein mag. Es ist ein herrliches Gefühl und die totale Freiheit. Und als wir dann so mitten im Pazifik sind, bei praktisch Null Wind – heisst Motor läuft – höre ich ein seltsames Geräusch das so gar nicht da hingehört. Wir Overlander kriegen während dem Reisen ein Gehör für Geräusche die da nicht sein sollten. Ich sage zu Tad, dass irgendwas beim Antrieb nicht stimmen kann und versuche das Geräusch in Englisch zu erklären. Wie gebraucht man Wörter die man nicht kennt um eine Sache zu beschreiben? Man macht die Geräusche akustisch nach. In einer grossen Halle mit Bühne und Publikum würde man dies als Standup Comedian betiteln.

Woher kommt das Geräusch

Und Tad hört es auch. Mist, verdammt. Das Geräusch kommt aus Richtung Motor, genauer aus dem Getriebe. Sofort Motor stoppen um nicht grösseren Schaden zu verursachen. Wir suchen den Fehler und finden diesen ziemlich schnell. Das Getriebeöl gleicht einer Masse aus Erdbeer und Quark. Das Getriebeöl wird durch einen Wärmetauscher gekühlt mit Meerwasser. Nun hat das Meerwasser – wahrscheinlich – dass Innere dieser Röhre dermassen korridieren lassen, dass sich das Meerwasser mit dem Getriebeöl gepaart hat. Reparatur ist also einfach. Ersatz-Wärmetauscher einsetzen, Öl austauschen, fertig. In der Zwischenzeit rollt das Schiff brutal da wir ja keinen Vortrieb mehr haben. Die Reparatur wird also ziemlich lustig. Ähm… Ersatz-Wärmetauscher??? Ist nicht, gibt keinen.

Kreativität auf dem Meer

Cool… wir überlegen. Wir könnten so und so oder so und so die Sache lösen. Wir besprechen Lösungen, suchen nach entsprechenden Teilen. Keine Lösung funktioniert weil Teile fehlen oder zu gross oder zu klein sind. Werden wir halt kreativ. Was haben wir an Bord? Schläuche, Briden, Wasserflaschen, Ventilatoren, Seile, Fittinge. Wir versuchen es mit dem Original Wärmetauscher jedoch ohne dass das Getriebeöl hindurchströmt. Damit das Getriebeöl gekühlt wird, rollen wir den einen Schlauch dicht um den Wärmetauscher und hoffen dass das Öl gekühlt wird. Diese Lösung hält grade mal 10 Minuten kühl. Eine andere Lösung muss her. Der Wärmetauscher ist zu dick um das kalte Meerwasser nach Aussen zu transportieren.

Ein Bootshaken ist die Lösung

Und da entdecken wir den Bootshacken. Der hat genau einen Zoll Durchmesser. Genau was wir brauchen. Dünn genug um kaltes Wasser nach Aussen zu bringen, dick genug um stabil bleiben. Wir zersägen den Bootshacken und basteln einen Wärmetauscher. Schlauch drumherum wickeln, zusätzlich Ventilator drauf richten und als weiteres Kühlsystem eine 5 Gallonenflasche mit Wasser füllen und den Schlauch mit dem Getriebeöl durch das Wasser in der Flasche führen. Und Testen. Das Getriebe wird warm aber überhitzt nicht. Das Öl hat die Konsistenz und Farbe die es braucht. Wir erhöhen die Umdrehungszahl auf 2500 Umdrehungen. Wir sind gespannt. Hält dieses Kreativ-Behelfs-Konstrukt? In der Tat – das Öl kühlt ab wir können also den Motor wieder gebrauchen. Was für eine Erleichterung.

Fazit

Segeln ist schön, traumhaft. Es geht aber dauernd was kaputt oder muss vor, während und nach der Fahrt repariert oder ausgetauscht werden. Kreatives Denken und Lösungssuche wird auf ein anderes Level gehoben. Segeln ist nie langweilig schon gar nicht, wenn man Delphine trifft, Wale sichtet, Seelöwen beobachtet oder leckeren Fisch frisch aus dem Meer angeln kann. Sushi war nie so frisch. Ich werde wieder segeln gehen. Dann mit Claudia.

Wir sind Claudia und Thomas und möchten mit unserem Blog und unseren Tipps Anregungen geben und die Fantasie ankurbeln.

Post a Comment

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.